Die heilende Kunst des Singens

„Es liegt ein feines Geheimnis
in jeder Bewegung und in jedem Klang dieser Welt.
Diejenigen, die verstehen, können hören,
was der wehende Wind, die sich biegenden Bäume,
das rauschende Wasser, die summenden Fliegen,
die knarrenden Türen, der Gesang der Vögel,
der Klang der Saiten oder der Flöten,
das Seufzen der Kranken, das Stöhnen der Betrübten sagen …“

– Ali al-Khawas (9. Jh.) –


Die Schöpfung singt. Ihr Gesang wird von Mystikern vieler Traditionen beschrieben.
Ein Hauch davon lässt sich in den Liedern unserer Weltkulturen erahnen.
Singen kann die Sehnsucht, unserer tiefsten inneren Wahrheit eine Stimme zu geben, mit den verschiedenen Facetten unseres Menschseins verbinden.

In vielen ethnischen Gemeinschaften ist das Singen noch ein selbstverständlicher, integraler Bestandteil des Zusammenlebens. In den westlichen Gesellschaften wird nach schmerzhaftem Verlust die heilsame Bedeutung gemeinsamen Singens gerade erst wieder entdeckt.

Wenn wir gewahr werden, wie jeder Ton, jedes Wort, jedes Lied den ganzen Körper bewegt und über ihn hinaus reicht, können wir durch bewusstes Singen und Sprechen uns selbst und andere nähren. Aus dieser Qualität von Stimmschwingung kann ein lebendiger Austausch entstehen.

Können wir Orte schaffen, an denen eine singende oder sprechende Begegnung – jenseits von Perfektion, Hörerwartung und künstlerischem Hochleistungsanspruch, aber auch jenseits von zu großer Vereinfachung – möglich ist?, Orte, an denen wir mit großer Ehrlichkeit und mit ‘heiligem Ernst’ bewusst erleben können, wie wir alle in einem großen lebendigen Akkord gemeinsam schwingen.